Gedächtniskonsolidierung ist der Prozess, bei dem neu gelernte Inhalte vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis übertragen werden.
Was wir im Laufe des heutigen Tages gelernt und erlebt haben, befindet sich noch nicht in unserem Langzeitgedächtnis, sondern in einer Art Zwischenspeicher, dem Hippocampus. Die Gedächtniskonsolidierung findet erst im Schlaf statt.
Im Tiefschlaf befasst sich das Gehirn erneut mit den Lerninhalten und Erlebnissen, die der Hippocampus zwischengespeichert hat: Unwichtiges wird gelöscht, und Wichtiges wird – in stark komprimierter Form – ins Langzeitgedächtnis übertragen.
Der Hippocampus
Der Hippocampus liegt tief im Inneren des Temporallappens und gehört zum limbischen System. Jede Gehirnhälfte hat einen eigenen Hippocampus, dessen Aussehen an ein Seepferdchen erinnert. Aufgrund seiner Funktion wird der Hippocampus auch als »Lernzentrum« oder »Organisator des Gedächtnisses« bezeichnet.
Die Funktion des Hippocampus ist seit den 1950er-Jahren bekannt. Bei dem Epilepsie-Patienten H. M. wurden im Jahr 1953 beide Hippocampi entfernt. Die epileptischen Anfälle verschwanden, aber H. M. litt für den Rest seines Lebens (er verstarb 2008) unter einer sogenannten anteriograden Amnesie: H. M. konnte keine neuen Gedächtnisinhalte bilden, aber auf die Gedächtnisinhalte von vor der Operation konnte er noch zugreifen. Sein motorisches Gedächtnis war nicht beeinträchtigt.
Seitdem ist bekannt, dass der Hippocampus für die Gedächtnisbildung, nicht jedoch für den Gedächtnisabruf von Bedeutung ist.
Es ist unklar, ob sich die Inhalte tatsächlich im Hippocampus zwischengespeichert werden oder ob sich der Hippocampus lediglich merkt, welche Cortexareale tagsüber aktiv waren. (Das Langzeitgedächtnis befindet sich in den sogenannten Assoziationsarealen, die über den gesamten Neocortex verteilt sind.)
Im Hippocampus können sich zeitlebens neue Nervenzellen bilden (Neurogenese). Einer aktuellen Theorie zufolge könnte dies der Vermeidung von Überanpassung dienen, einem unerwünschten Phänomen, das beim Maschinellen Lernen auftreten kann. Überanpassung verhindert die Generalisierung bzw. Verallgemeinerung von gelernten Inhalten, weil das Rauschen mit dem Signal verwechselt wird.
Gedächtniskonsolidierung
Im Schlaf wird der Hippocampus »off-line« genommen, sodass die Konsolidierung nicht von neuen Reizen gestört wird. Langsame Delta-Wellen signalisieren dem Hippocampus, dass die Großhirnrinde aufnahmebereit ist. Daraufhin sendet der Hippocampus die Inhalte, die für das Langzeitgedächtnis bestimmt sind, indem er sie mehrmals hintereinander aktiviert.
Im Rahmen der Gedächtniskonsolidierung werden die Inhalte sortiert, verarbeitet und in bestehende neuronale Netzwerke eingebaut. Es wird nur das Wesentliche konsolidiert. Beispielsweise lernt ein Baby nicht die einzelnen Sätze, die es tagsüber gehört hat, sondern es extrahiert die grammatikalischen Regeln und andere Muster.
Ob ein Inhalt als wichtig eingestuft wird, ist auch eine Frage der Motivation. Lerninhalte, die uns präsentiert wurden, weil wir sie z. B. für eine Klausur brauchen, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit konsolidiert als Inhalte, die nicht klausurrelevant sind.
Alles, was den Tiefschlaf stört, stört auch die Konsolidierung. Zu den stärksten Verhinderern der Konsolidierung zählen Schlafmittel und Alkohol. Interessanterweise stört der Konsum von Alkohol nicht nur die Konsolidierung der am gleichen Tag gelernten Inhalte, sondern wirkt sich auch auf diejenigen Inhalte aus, die in den Nächten davor bereits konsolidiert worden waren.
Lerngerecht schlafen
Durch gesunden Schlaf in ausreichender Menge stellen wir die Weichen für optimale Lernergebnisse. Dabei kommt es nicht nur auf den Nachtschlaf an – auch ein Mittagschlaf kann einiges bewirken:
- Schlaf vor dem Lernen: Die Speicherkapazität des Hippocampus ist begrenzt. Sobald der Zwischenspeicher voll ist, wird die Aufnahme neuer Inhalte verweigert und/oder die bereits gespeicherten Inhalte werden überschrieben. Erst nachdem wir ausreichend geschlafen haben, steht wieder neuer Speicherplatz zur Verfügung. Bereits ein 20- bis 90-minütiger Mittagsschlaf wirkt sich signifikant positiv auf das Lernen am Nachmittag aus.
- Schlaf nach dem Lernen: Wer nach dem Lernen zeitnah schläft, behält mehr von den gelernten Inhalten. Bereits ein 20-minütiger Mittagsschlaf wirkt sich signifikant positiv auf das Behalten der zuvor gelernten Inhalte aus.
Wer möchte, dass bestimmte Inhalte mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit konsolidiert werden, sollte sich kurz vor dem Zubettgehen (noch einmal) mit ihnen beschäftigen.
Optimal lernen
Die Lern-Bedingungen wie z. B. deine Schlafgewohnheiten stellen eine von drei Stellschrauben dar, über die du deinen Lernerfolg maßgeblich beeinflussen kannst. Die komplette Geschichte steht in meinem Buch Überflieger-Formel*. Es enthält die wichtigsten aktuellen Forschungsergebnisse und wirksamsten Ratschläge zu allen drei Stellschrauben:
- Lerntechniken
- Lern-Bedingungen
- Praktische Umsetzung