Lerntipps gibt es ohne Ende, denn jeder hat irgendeinen Tipp parat. Die meisten Ratschläge sind jedoch nicht wirklich hilfreich, und ein Berg an Ratschlägen schadet mehr, als er nutzt. Wer besser lernen möchte, braucht nicht viele, sondern effektive Maßnahmen. Im Folgenden stelle ich sieben besonders wirksame Lerntipps vor.
Was macht einen effektiven Lerntipp aus? Sein potenzieller Nutzen ist groß, der Aufwand gering. Es folgen die effektivsten Lerntipps in absteigender Reihenfolge.
Lerntipp #1 | Erkläre deinen Schlaf zur höchsten Priorität
In stressigen Zeiten sparen viele Schüler und Studenten an ihrem Schlaf. Sie gehen davon aus, dass sie so mehr Zeit zum Lernen haben. Diese Taktik geht aber nicht auf, im Gegenteil: Am Schlaf zu sparen, ist sogar höchst kontraproduktiv.
Wer in einer Lernphase am Schlaf spart, schießt sich selbst ins Knie!
Schlaf ist vielleicht der wichtigste Part des Lernens, denn was wir heute lernen, wird erst beim nächsten Mal schlafen in unser Langzeitgedächtnis übertragen (Gedächtniskonsolidierung). Je kürzer und schlechter wir schlafen, umso weniger des Gelernten kommt im Langzeitgedächtnis an.
Lerntipp #2 | Definiere deine Lebensziele
- Aufwand: einmalig etwa 30 Minuten.
- Kosten: keine.
- Wirkung: Verbesserung um mindestens eine halbe Note (in allen Fächern und vielleicht für den Rest des Lebens).
Sämtliche Lernergebnisse (und damit auch die Noten) werden dauerhaft deutlich besser, sobald man ein persönliches langfristiges Ziel hat. Es handelt sich um einen psychologischen Effekt, der in dem folgenden Video von dem bekannten Gehirnforscher Prof. Dr. Manfred Spitzer erklärt wird:
Interessanterweise muss das persönliche langfristige Ziel gar nichts mit dem zu lernenden Stoff zu tun haben. Es geht einzig und allein darum, irgendein eigenes Ziel im Leben zu haben. Wie du dein persönliches Ziel findest, erkläre ich in diesem Artikel.
Lerntipp #3 | Verhindere Ablenkungen, bevor sie ablenken
- Aufwand: einmalig etwa 30 Minuten.
- Kosten: maximal 30 € pro Jahr.
- Wirkung: Kann den täglichen Lernaufwand um Stunden reduzieren.
„Konzentriere dich doch mal!”
„Lasse dich doch nicht ständig ablenken!”
Schüler kennen diese gut gemeinten Ratschläge nur zu gut. Studenten werden nicht mehr so häufig zur Konzentration ermahnt; sie sind selbst verantwortlich. Leider haben die meisten Schüler und Studenten niemals gelernt, was sie ganz konkret tun müssen, um konzentrierter zu sein.
Im Umgang mit Ablenkungen machen fast alle Menschen immer wieder den gleichen Fehler: Sie kämpfen gegen Ablenkungen, indem sie sich willentlich bemühen, diese zu ignorieren. Doch wer so vorgeht, kann nur verlieren.
Willensanstrengung geht zulasten der Konzentrationsfähigkeit
Selbst wenn es gelingt, den Ablenkungen mit purer Willensanstrengung zu widerstehen, ermüdet die Konzentrationsfähigkeit schneller als nötig. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Universität Chicago, die untersucht hatte, wie sehr die Konzentration leidet, wenn potenzielle Ablenkungen in Reichweite sind.
Ein Smartphone wirkt sich auch dann negativ auf die Konzentration aus, wenn es im Flugmodus und mit dem Display nach unten auf dem Tisch liegt!
Für viele andere potenzielle Ablenkungen gilt sehr wahrscheinlich das Gleiche. Wer Ablenkungen unschädlich machen möchte, ohne dabei wertvolle Energie zu verschwenden, sollte sich ein Beispiel am griechischen Helden Odysseus nehmen. Odysseus ließ sich an den Mast seines Schiffes fesseln, weil er wusste, dass sein Wille zu schwach sein würde, um dem Gesang der Sirenen zu widerstehen.
Wie man die „Odysseus-Methode” mithilfe einer App auf das konzentrierte Lernen und Arbeiten überträgt, erkläre ich in diesem Artikel.
Lerntipp #4 | Lerne mit gehirngerechten Lernmethoden
- Aufwand: einmalig etwa 30 Minuten (um die Methoden zu recherchieren).
- Kosten: keine.
- Wirkung: Kann den Spaß am Lernen steigern und den täglichen Lernaufwand deutlich reduzieren.
Das Langzeitgedächtnis speichert nur bestimmte Inhalte und das auch nur unter bestimmten Bedingungen. Das Gedächtnis ist selektiv. Passe deine Lerngewohnheiten an dieses Naturgesetz an. Unter welchen Bedingungen dein Gehirn am effektivsten lernt, erkläre ich in meinem Artikel über effektive Lernmethoden.
Lerntipp #5 | Plane Pausen im Voraus
- Aufwand: etwa 5 Minuten Pause pro 30 Minuten Lernzeit.
- Kosten: keine.
- Wirkung: Spart unterm Strich mehr Zeit ein, als es kostet.
Die meisten Schüler und Studenten wollen das Lernen möglichst schnell hinter sich bringen, und Pausen scheinen das Leiden nur unnötig zu verlängern. Kein Wunder, dass sie erst dann eine Lernpause einlegen, wenn sie bereits völlig erschöpft sind. Das ist keine gute Idee.
Die Devise „länger ist besser” gilt beim Lernen nicht!
Plane deine Erholungspausen im Voraus und halte dich auch dann an deinen Plan, wenn du dich noch fit fühlst (verwende die Pomoroto-Technik). Interessanterweise äußert sich eine mentale Erschöpfung oft gerade dadurch, dass man eine anstehende Pause für unnotwendig hält. Du brauchst die Pause also insbesondere dann, wenn du sie für unnötig hältst.
Du solltest deinen Konzentrationsmuskel in den Pausen unbedingt entspannen. Computer und Smartphone sollten tabu sein.
Lerntipp #6 | Verschaffe dir zuerst einen Überblick
Das Gedächtnis ist extrem schlecht darin, Wissen dauerhaft zu speichern, welches sich nicht in irgendeiner Weise an das bereits vorhandene Wissen anknüpfen lässt (mehr dazu). Wenn wir eine neue Sprache lernen, fallen uns die allerersten Vokabeln daher besonders schwer. Im Umkehrschluss: Je mehr Wissen wir auf einem bestimmten Themengebiet schon haben, umso mehr Anknüpfungspunkte gibt es und umso leichter können wir uns Neues merken.
Anstatt ein neues Themengebiet der Reihe nach zu lernen, empfiehlt es sich, zunächst nach Anknüpfungspunkten zu suchen.
Lies den neuen Stoff zunächst einmal quer …
So wird dein Vorwissen aktiviert („priming”) und einige neue Inhalte, die sich an dein Vorwissen anknüpfen lassen, werden bereits verknüpft. Dabei entstehen einige neue Anknüpfungspunkte, die du beim zweiten Durchgang durch den Stoff nutzen kannst.
… und erstelle dann einen effektiven Lernplan
Während du deinen Lernplan erstellst, entstehen wieder neue Anknüpfungspunkte. Dadurch wird das Lernen in Zukunft noch einfacher. Ein Lernplan erleichtert dir das Lernen auch dann, wenn du dich am Ende gar nicht an ihn hältst. Wie man einen effektiven Lernplan erstellt, sodass man schon bei der Erstellung des Lernplans lernt, erkläre ich in diesem Artikel.
Lerntipp #7 | Falle nicht auf Lern-Mythen herein
Einige Experten, Autoren und Unternehmen haben Lernmythen in die Welt gesetzt, um nutzlose Produkte an Studenten, Schüler und besorgte Eltern verkaufen zu können. Wer sich an die in diesem Artikel beschriebenen Tipps hält, braucht keinen neumodischen Firlefanz, um effektiv lernen zu können.
Wie du ins Handeln kommst
Dass die effektivsten Lerntipps nur am Rande mit dem Lernen zu tun haben, hat einen einfachen Grund:
Unter den richtigen Bedingungen lernt das Gehirn fast wie von selbst. Die Kunst besteht letztlich darin, diese Bedingungen herzustellen.
Leider ist das gar nicht so einfach, denn es gilt einiges zu beachten, und viele Schüler und Studenten haben eingeschliffene Gewohnheiten, die ihnen im Weg stehen. Der allerwichtigste Lerntipp lautet daher:
Lerntipp #8 | Erstelle einen Plan für die praktische Umsetzung
Effektive Lerntipps zu kennen, bringt gar nichts, denn die Ratschläge müssen praktisch umgesetzt werden. Am besten du baust dir ein für alle Mal eine effektive Lernstrategie, von der du für den Rest deines Lebens profitieren kannst.
- Wie sieht deine optimale Lernstrategie aus?
- Welche Lernbedingungen brauchst du?
- Wie bringst du dich dazu, dich an deine Strategie zu halten?
- Wie erreichst du, dass du ehrlich zu dir selbst bist?
Am besten du erstellst deine Strategie in einer entspannten Phase deines Lebens, zum Beispiel in den Ferien. Das entsprechende Hintergrundwissen findest du in meinen Artikeln.
Zu 7. würde ich jedoch schon sagen, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt, das spielt dann auch in Punkt 3. wieder etwas herein.
Manche Leute können einfach ziemlich gut auswendig lernen und auch abstrakte Dinge ohne Vorwissen verinnerlichen. Oft haben diese Leute meiner Meinung nach in der Schule ganz gute Karten, da man dort meistens auch nicht vom Groben ins Kleine hinein lernt, sondern doch relativ stur nach Vorgabe.
Mein Fall war das nie, z.B. hat mir in Mathematik immer der Zusammenhang gefehlt, wozu man in der echten Arbeitswelt die konrekte Matheaufgabe überhaupt brauchen kann. Wenn man dann erst einmal im naturwissenschaftlichen Umfeld arbeitet, dann sieht das ganz anders aus; da wird einem erst bewusst, wofür man Mathe alles gebrauchen kann.
Ob man also kleinteilige Aufgaben direkt am Anfang abarbeiten möchte, oder vor dem Lernen sich ersteinmal ein Überblick über das Gesamte machen will, hängt schon ein wenig vom Lernenden ab – ich würde also schon sagen, dass es Lernstrategien gibt, welche individuell viel oder eher wenig nützen!
Viele Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
Vielen Dank für deinen interessanten Input. Ich glaube auch, dass Menschen auf unterschiedliche Weise lernen. Das mit den Lerntypen (Punkt 7) war anders gemeint und ich hoffe, dass ich das in meinem Artikel über Lerntypen auch rüberbringen konnte :)
Viele Grüße,
Jan