Das Lesen von Artikeln und Lehrbüchern zählt zu den schlechtesten Lerntechniken. Zu diesem Ergebnis kam eine Metastudie, die zahlreiche Lerntechniken miteinander verglichen hatte. Beim Lesen wird das aktive Nachdenken zu wenig angeregt.
Doch es gibt spezielle Lesetechniken, die das aktive Nachdenken fördern. Dazu zählt die bekannte SQ3R-Methode, die ich in diesem Artikel vorstellen möchte.
Die SQ3R-Methode
Ursprünglich hatte Francis P. Robinson (1906–1983) die SQ3R-Lesetechnik für das US-Militär entwickelt. Durch das Buch Effective Study, das der Bildungspsychologe 1946 herausbrachte, erhielt seine Methode Einzug in die Zivilgesellschaft.
Die Buchstabenfolge SQRRR steht für fünf Schritte, die zur tiefgründigen Auseinandersetzung mit einem Sachtext durchgeführt werden sollen:
- Survey
- Question
- Read
- Recite
- Review
Schauen wir uns die fünf Schritte einmal im Detail an.
Schritt #1: Survey (Überblick gewinnen)
Im ersten Schritt verschaffen wir uns einen groben Überblick, indem wir das große Ganze betrachten.
Wenn es sich um ein Buch handelt, betrachten wir zunächst das Cover. Dann lesen wir den Text auf dem Backcover und werfen einen Blick ins Inhaltsverzeichnis.
Was ist das Thema des Buches? Wie ist es strukturiert? Wer hat es geschrieben? Welchen Bezug hat der Autor zum Thema?
Als Nächstes blättern wir das Buch einmal durch und betrachten die Kapitelüberschriften und eventuell vorhandene Abbildungen, Tabellen und Hervorhebungen. Wenn es eine Zusammenfassung (Abstract) gibt, lesen wir diese.
Dieser erste Schritt dient dazu, das »Big Picture« zu erfassen. Weil dabei bereits zahlreiche, mit dem Thema assoziierte Inhalte in unserem Langzeitgedächtnis aktiviert werden, wird beim späteren Lesen (Schritt #3) vergleichsweise mehr hängenbleiben.
Schritt #2: Question (Fragen stellen)
Jetzt nehmen wir uns die einzelnen Kapitel vor und überlegen uns anhand der Kapitelüberschriften, was wir in den Kapiteln erfahren möchten.
Indem wir vorab Fragen formulieren, bereiten wir unser Gehirn darauf vor, die späteren Antworten, sofern sie im Text auftauchen, besonders gründlich zu verarbeiten.
Schritt #3: Read (Lesen)
Nun nehmen wir uns den Haupttext abschnittsweise vor. Die zentralen Begriffe und Zusammenhänge werden unterstrichen und/oder farbig markiert.
Mein Tipp: Wende die Pomodoro-Technik an, um sicherzustellen, dass du regelmäßig Pausen einlegst, in denen sich deine Konzentrationsfähigkeit regenerieren kann.
Schritt #4: Recite (Rekapitulieren)
Nach jedem Abschnitt wird der Inhalt rekapituliert. Wir notieren den Inhalt des Abschnitts sowie die wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge in eigenen Worten.
Der Originaltext sollte währenddessen zugedeckt sein, damit sichergestellt ist, dass wir die Inhalte nicht ablesen, sondern aus unserem Gedächtnis abrufen.
Schritt #5: Review (Rückblick)
Zum Schluss denken wir noch einmal darüber nach, wie der zuletzt gelesene Abschnitt in das »Big Picture« passt und wie er mit den Abschnitten zusammenhängt, die wir davor gelesen haben.
Funktioniert die SQ3R-Methode wirklich?
Die SQ3R-Methode ist wissenschaftlich überprüft worden. Dabei stellte sich heraus, dass die Methode nur dann zu einer Verbesserung des Textverständnisses beiträgt, wenn alle fünf Teilschritte durchlaufen werden. Jeder einzelne Teilschritt hatte für sich betrachtet keinen positiven Einfluss auf das Textverständnis.
Die Wirksamkeit der SQ3R-Methode steht und fällt mit unserer Fähigkeit, gute Fragen zu stellen. Die Antworten auf Fragen, die wir in Schritt #2 nicht gestellt haben, werden vom Gehirn nämlich weniger gründlich verarbeitet.
Weiterentwicklungen der SQ3R-Methode
Es gibt verschiedene Weiterentwicklungen der SQ3R-Methode, bei denen andere und/oder zusätzliche Schritte durchzuführen sind.
Bei der sogenannten PQ4R-Methode, die in den 1970er Jahren entwickelt wurde, wird zwischen Read und Recite ein zusätzlicher, sechster Schritt durchgeführt: Reflect. Auf deutsch: Nachdenken.
Der Leser wird dazu angehalten, sich mit den Argumenten, Beispielen und Belegen des Textes auseinanderzusetzen. Sind diese schlüssig oder lassen sie sich widerlegen? Gibt es zusätzliche Argumente, die in dem Text nicht vorkommen.
Sinn und Zweck dieses Schrittes ist es, die Textinhalte mit den bereits vorhandenen autobiografischen Gedächtnisinhalten der Leser zu verknüpfen.
Weitere wissenschaftlich fundierte Lerntechniken findest du in meinem Übersichtsartikel über Lerntechniken.
PS: Die Beherrschung effektiver Lerntechniken stellt eine von drei Stellschrauben dar, über die du deinen Lernerfolg maßgeblich beeinflussen kannst. Die komplette Geschichte steht in meinem Buch Überflieger-Formel*. Es enthält die wichtigsten aktuellen Forschungsergebnisse zu allen drei Stellschrauben (Lerntechniken, Lern-Bedingungen und praktische Umsetzung) und erklärt dir, wie du sie für deinen Erfolg im Studium nutzen kannst.